Anfang Juni begaben sich die Schülerinnen und Schüler des Wahlpflichtfaches Geschichte und Politische Bildung der 6. Klasse auf eine spannende Exkursion nach St. Pölten. Auf dem Programm standen gleich zwei bedeutende Stationen: das Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich mit seiner aktuellen Sonderausstellung “Kinder des Krieges – Aufwachsen zwischen 1938 und 1955” und ein Besuch im Landesarchiv St. Pölten – dem „Gedächtnis unseres Bundeslandes“.
Jugend im Schatten von Gewalt und Verlust
Die Sonderausstellung wurde speziell für junge Menschen konzipiert und ermöglicht auf eindrucksvolle Weise einen Zugang zu einem oft übersehenen Aspekt der Kriegsgeschichte: dem Alltag, den Ängsten, aber auch den Hoffnungen von Kindern und Jugendlichen in Kriegs- und Nachkriegszeiten. Gerade im Gedenkjahr 2025 ein nicht zu vernachlässigender Aspekt!
Die Ausstellung ermöglicht den Einblick in Lebensrealitäten von Kindern vom Zweiten Weltkrieg bis hin zu aktuellen Konflikten. Anhand persönlicher Objekte, Briefe und Videointerviews entsteht ein bewegendes Bild davon, wie tief Kriegserfahrungen junge Menschen prägen – und wie unterschiedlich sie damit umgehen. Beispielsweise zeigt eine Marschtrommel der Hitlerjugend, wie das Regime der Nationalsozialisten bereits bei Volksschülern die Vorbereitung auf den Einsatz im Krieg sowie die dafür erforderliche Gehorsamkeit und Begeisterung bewirken wollte.
Workshop: Exponate lesen, Geschichte verstehen
Im Anschluss an die Ausstellung nahmen die Schülerinnen und Schüler an einem pädagogisch begleiteten Workshop teil. Hier wurden ausgewählte Exponate vertiefend behandelt, diskutiert und mit Erkenntnissen aus originalen Zeitzeugeninterviews, die ein wesentliches Element der Konzeption der Ausstellung sind, ergänzt. Die Jugendlichen analysierten die Lebensgeschichten von Betroffenen und setzten sich in Übungen intensiv mit deren Erfahrungen auseinander. Dabei galt es beispielsweise das Transkript eines Interviews mithilfe des Originals der Aufzeichnung auf Fehler zu überprüfen, wodurch klargemacht wurde, wie folgenreich auch nur kleine Fehlinformationen für das Verständnis der Nachwelt sein können.
Besuch im Landesarchiv – Geschichte im Original
Am Nachmittag stand ein weiterer Höhepunkt auf dem Programm: der Besuch im Landesarchiv St. Pölten. In einer spannenden Führung lernten die Schülerinnen und Schüler, welche Aufgaben ein Archiv hat, wie historische Quellen dort aufbewahrt werden – und wie sie genutzt werden können, um die Vergangenheit zu erforschen.
Besonders eindrucksvoll war die Präsentation historischer Originaldokumente. Ein Highlight war der sogenannte Erbhuldigungsrevers für die Stände des Erzherzogtums Österreich unter der Enns aus dem Jahr 1740, mit dem sich die niederösterreichischen Landstände gegenüber Maria Theresia zur Treue bekannten. Dieses Dokument wurde nicht nur zur Legitimation ihrer Herrschaft benötigt – es trägt sogar die eigenhändige Unterschrift der berühmten Monarchin.
Auch die jüngere Geschichte wurde anhand authentischer Quellen greifbar gemacht: Die Schülerinnen und Schüler erhielten Einblick in zeitgeschichtliche Aktenbestände, etwa in sogenannte Vermögensanmeldungen von Jüdinnen und Juden in Niederösterreich während der NS-Zeit. Diese Dokumente zeugen von der systematischen Enteignung („Arisierung“) jüdischen Eigentums durch die Nationalsozialisten – und machen deutlich, wie sich Diskriminierung und Gewalt in Verwaltungsakten niederschlugen.
Ein Tag voller Einblicke und Denkanstöße
Die Exkursion war für alle Beteiligten ein bereichernder Tag voller Eindrücke, Erkenntnisse und emotionaler Momente. Die Auseinandersetzung mit Geschichte anhand von Originalquellen, Ausstellungen und persönlichen Schicksalen ermöglichte einen lebendigen Zugang zu komplexen Themen – und zeigte, dass Geschichte weit mehr ist als trockene Zahlen und Daten: Sie erzählt von Menschen, Entscheidungen und ihren Folgen bis heute.
Mag. Daniel Mistelbauer